KI forciert Umbruch der Steuerungstechnik
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- 21.2.2022
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Eine zusätzliche Bruttowertschöpfung von 32 Milliarden Euro bis 2023 im produzierenden Gewerbe Deutschlands – das war 2020 die Prognose des Bundeswirtschaftsministeriums für den Einsatz von Künstlicher Intelligenz in der Industrie. Ein Jahr zuvor hatten in einer Bitkom-Branchenumfrage 10 Prozent der Industrie-Unternehmen angegeben, dass sie bereits Künstliche Intelligenz einsetzen. Inzwischen ist das Interesse an dieser Technologie bei Automatisierern, Maschinenbauern und Anlagenbetreibern weiter gewachsen.
KI-Vormarsch auf breiter Front
Tatsächlich ist den Menschen nicht immer bewusst, wie viele KI-Anwendungen bereits heute ihre Umgebung prägen. Der Sprachassistent auf dem Smartphone, digitale Übersetzungsservices, Empfehlungen beim Online-Shopping oder beim Klicken durch die YouTube-Videos sind nur einige bekanntere Beispiele der täglichen KI-Unterstützung im Konsumerbereich. Die Bilderkennung von Google Lens, eine Health Cloud zur Unterstützung bei ärztlichen Diagnosen, die automatisierte Vergabe von Krediten über Online-Plattformen oder sogar Versicherungstarife, die auf einer Echtzeit-Analyse des Fahrverhaltens basieren, sind ebenso zu nennen.
Kaum bewusst sein dürfte den meisten Verbrauchern, dass auch das Entsperren des Smartphones per Gesichtserkennung, oder die automatische Textvervollständigung beim Chatten nur mit KI-Unterstützung funktionieren. IT-Riesen wie Amazon, Google, Microsoft und Apple haben viel Geld und Ressourcen aufgewendet, um KI so weit zu entwickeln, dass sie heute problemlos in vielen Anwendungsbereichen eingesetzt werden kann. Davon profitiert letztlich auch die Steuerungstechnik.
Unterscheidung von Automatisierung und KI
Zwar stellen sich in der Industrie andere Aufgaben und Herausforderungen, doch die grundlegende Funktion von Künstlicher Intelligenz ist hier die gleiche wie im Konsumersegment: KI soll dazu beitragen, bestimmte Vorgänge einfacher und besser zu machen.
Dabei stellt sich die Frage: wo hört die „klassische“ Automatisierung auf, wo fängt die Künstliche Intelligenz an. Oder noch konkreter: Was ist eigentlich Künstliche Intelligenz im Umfeld von industrieller Steuerung und Automatisierung?
Darauf kann man aus unterschiedlichen Blickwinkeln antworten. Der eine Aspekt ist, was KI bewirkt: Künstliche Intelligenz im Automatisierungskontext versetzt Maschinen in die Lage zu kommunizieren, zu sehen, zu interpretieren, zu fühlen, zu denken und zu entscheiden.
Der andere Aspekt ist die Umsetzung. In der Automatisierung gibt es für jedes Problem ein Programm. Die Problemlösung ist hart codiert, und damit – leider – nicht skalierbar. Im Gegensatz dazu besteht eine KI nicht aus einem festen Code, sondern sie lebt von Daten. Algorithmen und neuronale Netze werden modelliert und mit historischen Daten trainiert.
Ausgehend von dieser Basis werden mit der zunehmenden Verarbeitung von Daten die Ergebnisse immer besser. Mit dieser Fähigkeit, aktuelle Daten zu adaptieren und sich neuen Umgebungsbedingungen anzupassen, bietet Künstliche Intelligenz ein enormes Potenzial zur Skalierung von Einsatzszenarien. Denn anders als Programmiercode, dessen Weiterentwicklung linear verläuft, sind die Fortschritte bei der KI-Weiterentwicklungen exponentiell.
Drei KI-Anwendungskategorien
Betrachtet man die möglichen Use Cases von KI in der Automatisierung, ergeben sich drei grundlegende Kategorien:
- Assistenzielle Systeme zur Unterstützung des Operators;
- Lokale KI-Systeme zur autonomen Steuerung von Prozessen in Echtzeit;
- Analytische Anwendungen in der Cloud.
Alle drei Kategorien haben in unterschiedlicher Form Potenzial zur Nutzung von KI in der industriellen Automatisierungs- und Steuerungstechnik. Assistenzsysteme bieten die Chance, komplexe Vorgänge einfacher zu gestalten, indem sie Empfehlungen und Hilfestellungen geben, zum Beispiel bei der Bedienung, der Inbetriebnahme oder bei der Programmierung. Cloud-Anwendungen eignen sich etwa für Predictive Maintenance oder die Anomalie-Erkennung in Prozessen.
Lokale KI-Lösungen können beispielsweise der Maschine neue Kommunikationsfähigkeiten geben, sie mit ihrer Sensorik denken, lernen, entscheiden lassen. Am Ende geht es darum, die Produktivität zu erhöhen und die Effizienz zu steigern, beispielsweise durch kürzere Zykluszeiten.
Nur lokale Anwendungen sind in der Lage, laufende Prozesse zuverlässig zu steuern, etwa die optimale Bewegung eines Roboters oder eines fahrerlosen Transportsystems (AGV). Bei Cloud-Anwendungen ist die Latenzzeit zu hoch, darüber hinaus besteht die Gefahr einer Unterbrechung der Kommunikation.
Wer jetzt nicht mit Nachdruck den KI-Einsatz in industriellen Lösungen nutzt, droht abgehängt zu werden
Was KI bislang noch nicht leisten kann
Inzwischen befassen sich immer mehr Maschinenbauer und Automatisierer mit Fragen zum Einsatz von KI. Bislang werden die Möglichkeiten aber noch nicht umfassend ausgeschöpft. Häufig beschränken sich die Anwendungen noch darauf, die Datenanalyse in der Cloud abzubilden und geeignete Dashboards zu schaffen, die eine Datentransparenz für den Operator herstellen sollen. Maschinen- und Produktionsdaten zu sammeln, um diese intelligent auszuwerten und daraus Produktivitätspotenziale zu erkennen, gelingt deshalb bereits in vielen Fällen sehr gut. Daraus ergibt sich jedoch noch kein vollständiges Bild über den gesamten Prozess. Dies hat mehrere Ursachen.
In vielen Bereichen der Automatisierungs- und Steuerungstechnik können Maschinenbauer und Anlagenbetreiber heute auf einheitliche Standards und interoperable Technologien setzen. So können auch über Herstellergrenzen hinweg Komponenten und Maschinen relativ problemlos zusammenarbeiten. Im Bereich der Entwicklung können modulare Funktionsbausteine genutzt werden, die sich leicht zusammenfügen bzw. austauschen lassen.
Im Gegensatz dazu gibt es bei KI noch keine einheitliche Plattform, sondern eine Vielzahl von Ökosystemen, die untereinander meistens nicht kompatibel sind, von unterschiedlichen Automatisierern ebenso wie von Maschinenbauern.
In Teilen der Prozessindustrie, etwa in der Pharma- und in der Lebensmittelbranche, wo die Prozesskette in Summe eine große Rolle spielt, werden bereits große Anstrengungen unternommen, diese Fragmentierung zu überwinden. Doch auch hier zeigt sich, wie schwer es ist, alle Prozessteilnehmer in eine einheitliche Plattform zu integrieren und eine gemeinsame Datenbasis zu schaffen, die es ermöglicht, die Produktivitätspotenziale zu heben.
Andere Branchen, wie etwa die Verpackungs-, Kunststoff-Herstellung oder die Blechbearbeitung liegen hierbei noch weiter zurück. Die Bereiche Logistik sowie die Robotik zeigen sich als Vorreiter bei der Umgebungserkennung. Dies sind jedoch nur punktuelle Einsatzszenarien, die einen eng umrissenen Teilprozess hocheffizient lösen. Die Ziele der Anwender, nämlich hochflexibel und möglichst profitabel produzieren, werden damit nur zum Teil erreicht.
Künstliche Intelligenz in der Steuerungstechnik: Stand der Dinge
In der Vergangenheit wurden Maschinen gebaut, um 10 bis 20 Jahre lang höchst produktiv ein spezifisches Produkt herzustellen. Aufgabe der Automatisierung war es, die Produktivität und Effizienz Jahr für Jahr weiter zu verbessern.
Inzwischen verschieben sich die Anforderungen hin zu Individualisierung und höheren Varianzen in der Produktion. Die Herausforderung für die Automatisierung lautet dabei nicht mehr, noch höhere Produktivität zu erreichen, sondern eine höhere Flexibilität zu ermöglichen, ohne dass dies mit Rückschritten bei der Produktivität einhergeht.
Das erfordert einen weiteren Entwicklungsschritt von der flexiblen Produktion hin zum skill-based programming, also einer Produktion auf Basis erweiterter Fähigkeiten der Maschinen. Es ist v.a. Künstliche Intelligenz, die Maschinen solche zusätzlichen Fähigkeiten verleiht, um bestimmte Dinge zu tun, oder die vorhandenen Fähigkeiten neu zu kombinieren.
Ein Blick in die Industrie zeigt: Dieser Technologie- und Anwendungswandel ist bereits in vollem Gange. KI steht im Zentrum dieses Wandels, indem sie ermöglicht, schnell neue Applikationen zu entwickeln – in der Maschine, im Prozess und in der Produktion. Zugleich trägt Künstliche Intelligenz damit zur Beschleunigung und Ausweitung dieser Entwicklung bei. Maschinenbauer stehen daher unter Druck, sich diesem Trend zu stellen und eigenes Know-how aufzubauen, um im Wettbewerb bestehen zu können.
Wer jetzt nicht mit Nachdruck den KI-Einsatz in industriellen Lösungen nutzt, droht abgehängt zu werden. Unterstützung finden Interessierte bei Anbietern wie KEBA. Dessen KI-Kompetenz-Zentrum blickt auf viele Jahre Erfahrung zurück und kann bei KI-Projekten mit umfangreicher Expertise zu Hardware, Software und Konzepten unterstützen.