Warum HMIs scheitern und was wir von Flops lernen können
- HMI
- 15.11.2021
- Lesezeit: {{readingTime}} min
- Artikel teilen
Inhalt
Was müssen HMIs heute können, damit der User einen echten Mehrwert erhält? Nur durch das Beobachten und Erkennen der Art und Weise, wie Menschen mit der Schnittstelle zur Maschine interagieren, ist es möglich, diese Schnittstelle intuitiv, effektiv und einfach zu gestalten.
Aber wann ist ein HMI in der Praxis erfolgreich und auch eine echte Hilfe für den Menschen, damit er mit Maschinen, Anlagen und Geräten erfolgreich kommunizieren und so einen effizienten und kosteneffektiven Herstellungsprozess gewährleisten kann? Größtmögliche Benutzerfreundlichkeit ist hier das Maß aller Dinge und entscheidend für den wirtschaftlichen Erfolg des HMI.
Aus Fehlern lernen
Ein gutes HMI ist auf die individuellen Bedürfnisse des Nutzers angepasst und muss alle Anforderungen an Benutzerfreundlichkeit erfüllen. Die beste und modernste Technologie nützt nichts, wenn der Anwender durch zu komplizierte oder zu wenig intuitive Bedienung nicht nur die Lust am Produkt verliert, sondern die Bedienung anstatt einfacher eher komplizierter oder schwieriger wird.
In diesem Blogartikel stellen wir HMI Beispiele vor, die scheiterten und wir analysieren die Fehler, um daraus zu lernen.
Dualscreen verspricht keine Erleichterung
Alles andere als Benutzerfreundlichkeit brachte das chinesische Unternehmen ZTE 2017 auf den Markt. Das Smartphone Axon M mit zwei Bildschirmen sollte dem User durch eine bessere und größere Darstellung eine noch komfortablere Handhabung bieten.
Die Lücke zwischen den beiden Bildschirmen bei der Hochkant-Nutzung brachte keine Vorteile. Im Gegenteil, die Darstellung auf dem Dualscreen war weder vorteilhaft noch benutzerfreundlich. Durch den zusätzlichen Bildschirm wurde das Axon M außerdem schwerer als gewöhnliche Smartphones und dazu noch relativ dick. Ziel verfehlt.
Bedienfehler durch Touchscreens
Im Jahre 2017 kam es zu einem der schlimmsten Unfälle bei der US Navy. Nach zahlreichen Untersuchungen zur Klärung des Zusammenstoßes mit einem zivilen Schiff, kam man zu dem Schluss, dass auf vielen Schiffsbrücken der US Navy die Mannschaft mit der Bedienung der Touchscreens überfordert war. Durch die dadurch entstandenen Bedienfehler kamen mehrere Menschen ums Leben.
Man erkannte, dass die Touchscreens für die Schiffssteuerung viel zu komplex waren und somit zu einer steigenden Fehlerquote bei der Bedienung durch die Besatzung führten. Diese wünschte sich daher die klassischen Bedienelemente wie Schalter, Knopf oder Tastatur zurück.
Folgende Probleme des HMI könnten bei diesem Unglück eine Rolle gespielt haben:
- Das Eingabegerät ist gleichzeitig Ausgabegerät – möglicherweise verdeckt man mit der bedienenden Hand wichtige Informationen
- Der Bildschirm bietet keine mechanischen Fixpunkte (wie z. B. bei einem Schalter); bei Erschütterung kann der Finger über den Bildschirm rutschen und eine nicht beabsichtigte Aktion auslösen
- Die Bedienung des Touchscreens mit nassen oder verschmutzten Fingern ist fehleranfällig oder gar nicht möglich
- Vom User wird eine sehr hohe Konzentration verlangt, da auf dem Bildschirm sehr viele unterschiedliche Funktionen realisiert werden, und damit auch die Positionen zum Antippen wechseln können.
Misserfolge führen nicht selten zu etwas Neuem und Gutem, denn ohne Scheitern keine Weiterentwicklung
Einer der ersten Schritte Richtung VR leider gescheitert
Wer ein Kind der 1980er oder 1990er Jahre ist, erinnert sich sicherlich an die Spielkonsole NES (Nintendo Entertainment System). Doch wer von Ihnen kennt den Power Glove? Dies war ein Datenhandschuh, der als Controller am rechten Arm getragen werden konnte. Über akustische Sensoren ermittelte dieser die Bewegungen des Spielers.
Man kann diesen Handschuh sicherlich als einen der ersten Schritte Richtung Virtual Reality in der Gaming-Industrie bezeichnen, wenngleich er sich nicht etablieren konnte. Schon ein Jahr nach Release verschwand das Produkt wieder aus den Regalen.
Dies lag nicht zuletzt daran, dass er lediglich für zwei Videospiele programmiert worden war und somit nicht die breite Masse an Usern des NES erreichen konnte. Doch das größte Problem war die unzureichende Erkennung der Bewegungen, so dass die Steuerung in den Spielen zu wenig präzise war und sie damit unspielbar wurden.
Damals für die meisten Gamer sicher faszinierend und sehr innovativ. Jedoch war Nintendo mit seiner Videospiel-Expertise selbst nicht in die Entwicklung und den Vertrieb des Power Gloves involviert, sondern lizenzierte ihn. Der Power Glove war angelehnt an einen bereits existierenden Handschuh, den Data Glove. Allerdings wurde beim Nintendo-Produkt an einigen Stellen aus Kostengründen technisch abgespeckt. Um Einsparpotentiale zu nutzen, wurde also auf Technologie verzichtet, die in anderen Produkten bereits existierte.
Nokias Versuch ein Smartphone mit einer Handheld-Konsole zu vereinen
Nokia galt in den 2000er Jahren als einer der führenden Handyhersteller. Da zur damaligen Zeit viele Jugendliche ein Handy und einen Game Boy nutzten, wollte Nokia mit dem N-Gage diese beiden Geräte miteinander vereinen. 2003 auf den Markt gekommen, wurde es aufgrund zu niedriger Verkaufszahlen nur zwei Jahre später vom westlichen Markt genommen.
Wollte Nokia zu viel auf einmal? Das N-Gage bot zusätzlich Mehrspieler-, Internet- und PDA-Funktionen (Personal Digital Assistant). Bemängelt wurden aber vor allem eine zu geringe Auswahl an Spielen und eine umständliche Bedienung des Smartphones. Nokia musste sich dem Vergleich mit Nintendos Game Boy stellen und konnte hier nicht mithalten. Beispielsweise musste man zum Einlegen eines neuen Spiels den Akku jedes Mal ausbauen.
Das Benutzen des Telefons kam bei den Usern nicht gut an, da man sich aufgrund der Position des Lautsprechers und des Mikrofons die schmale Oberseite des Gerätes an sein Ohr halten musste. Hier entstand sogar der Begriff „Side-Talking“.
Trotz der großen Aufmerksamkeit vor der Veröffentlichung wurde das N-Gage nicht so erfolgreich wie von Nokia erhofft. 2004 verkaufte Nokia eine Million Geräte, was unter den angestrebten sechs Millionen lag. Bis 2007 wurden drei Millionen Geräte vertrieben.
Conclusio: HMI Flops
Was können wir von diesen Beispielen lernen? Sicherlich sprechen die Faktoren Preis-/Leistungsverhältnis und Zuverlässigkeit eine große Rolle. Aber vor allem müssen eine hohe Bedienerfreundlichkeit und Einfachheit gegeben sein. Was nützt ein kostengünstiges oder gut durchdachtes Produkt, wenn die Bedienung umständlich, zeitraubend und ineffektiv ist. Sicherlich muss auch die Qualität stimmen, der Kunde möchte ja schließlich einen Mehrwert bekommen.
Die oben aufgeführten Beispiele zeigen außerdem, dass ein HMI schlichtweg seinen Zweck erfüllen muss. Denn wenn in einem Produkt zu viele Funktionen vereint werden und keine davon so richtig gut funktioniert, wird der User keinen Mehrwert spüren und zu Altbewährtem greifen.
Was zeigen uns diese Flops noch? Zum einen, dass auch große Namen wie die US Navy oder Nintendo Fehlentscheidungen treffen und Misserfolge erleben. Zum anderen, dass solche Misserfolge nicht selten zu etwas Neuem und Gutem führen, denn ohne Scheitern keine Weiterentwicklung.